kenn' ja selber, was dir heut widerfährt
sie wollte das leben kennenlernen, dieses jungfräuliche.
wollte wahrheit verbreiten, ernsthaftigkeit, ernst genommen werden.
so jung war sie noch, so blauäugig, obwohl sie ja braune augen hatte.
neu im betrieb, voller guter vorsätze. voll vom gutem willen.
der bgl'er respektierte ihren neuen glauben an einen gott.
schwitzend und mit hellem gesicht verließ sie den raum, der ihr zur feuertaufe geworden war.
ihre schritte hallten im treppenhaus. die büroräume verschlossen dicke türen, hinter denen wahrheit gelebt wurde – wahrheit, die sich gut schmieden und winden ließ.
als ich fortging ...
der kurze rock wippte an ihren beinen, frech und provokant. der kurze ponny über der stirn wurde vom wind verweht und rötete ihre stirn.
die tasche über der schulter war neu – eben erstanden, beziehungsvoll vom unterm ladentisch, schnell umgepackt und nun stolz präsentiert. helle schnallen, bunte farben.
als ich fortging, war die straße steil ...
sie lehnte sich an ihn, in der kirchenbank, in der welt, die eine andere war.
die sie erst kennenlernte. gab es hier die wahrheit? suchte sie genau nach dieser? unbequemen? herausfordernden?
so genau wusste sie es nicht, nur dass, wenn er ihre hand hielt, sie glücklich war. er strich über ihren rocksaum, fasste nach der neuen tasche, legte heimlich den arm um sie.
sie rutschten in die bank, wurden kleiner, leichter, unsichtbarer.
nimm an ihrem kummer teil ...
lau war die nacht in diesem juni. Die käfer flogen und blinkten. er zog leise am reißverschluss des rockes, sie legte ihre hand darüber.
... mach sie heil.
da lag der wisch, die papierecken umgeknickt. der antrag. fdj. jetzt doch nun endlich sollte sie, als lehrling ...
sie dachte an die feuertaufe, an das gespräch mit dem bgl'er und knüllte den wisch zusammen. nein, in den papierkorb fegte sie ihn nicht, tat ihn lieber in die tasche. die wird das schon tragen können.
als ich fortging, war der asphalt heiß ...
eingebettet. jeden montag. in eine runde. menschen. lieder. heiße worte. sie tastete sich vor – in die nähe zu dem mann am kreuz.
was redeten die anderen? was erzählten sie da? nichts von all dem kam ihr bekannt vor, nichts von all dem drang in ihr herz. sie fremdelte.
... kehr wieder um.
der stift in der Hand schien die zahlen allein zu schreiben. die gedanken liefen ihre bahn. der mann vom schreibtisch neben ihr stellte ihr den kaffee unter die nase. brauner duft. sie sah auf – in augen, die ihr ein lächeln auf die lippen zwangen.
red ihr aus um jeden preis, was sie weiß.
was wusste sie schon? was konnte man ihr ausreden?
der schein der im umschlag steckte, war eine prämie. dafür, dass sie zum munde redete?
nichts ist unendlich, so sieh das doch ein.
heute durchnässte sie der regen. klatschte auf die schultern, arme, die sie hängen ließ. traurig. weil man von ihr verlangte, sich zu entscheiden.
ich weiß, du willst unendlich sein, schwach und klein.
sie lehnte sich an die ecke, die sich zwischen ihre schulterblätter bohrte. und der regen rann über ihr gesicht. sie flüsterte: spül’ doch fort, was ich nicht wissen will.
feuer brennt nieder, wenn’s keiner mehr nährt.
ihre absätze klapperten auf den alten fußwegplatten. der regen hatte aufgehört, ihr übers gesicht zu laufen. dafür lief sie, schnell jetzt und mit tempo. fegte die tasche ins zimmer und schmiss den rock aufs bett, den kurzen, dessen stoff ein geschenk des betriebes gewesen war und der sie gefügig machen sollte.
sie zog die alte hose an, setzte die schöne mütze auf, stopfte ihren ponny darunter. nur eine strähne lugte hervor.
er wartete und mit ihm ging sie zu der tür, hinter der die worte flogen, wo die lieder klangen – die wahrheit wohnt ...
kenn’ ja selber, was dir heut widerfährt.
©gh
zitate: songtext – als ich fortiging ... (karussell)
zum anhören:
als ich fortging ...