
A Day. So blue.
Ein Tag. So blau.
An einem Tag im Januar. Kalt und blau.
Ganz still ist es im Raum, auch im Flur. Blau und dämmrig. Was ich höre, ist das leise Brummen des Maschinenmotors.
Ich hole meinen Blick vom Fenster zurück, verlasse das blaue Neblige davor und wende mich meinen Händen zu.
Griffig ist der Stoff, auf denen sie liegen – und anschmiegsam. Gut würde die Nadel einstechen können, keine Fäden ziehen.
Die Decke nimmt Form an. Aus vielen Vierecken. Quadrat an Quadrat. Aneinandergeheftet. Ich atme aus und konzentriere mich auf meine Hände, auf die Finger. Sie fassen fest die beiden Stoffbahnen und schieben sie unter das silberne Füßchen.
Mein Fuß tritt sacht auf das Pedal und schon sticht die Nadel mit dem Faden vorsichtig durch das Gewebe, verbindet beide Bahnen und stößt diese – nun zusammengefügt für lange Zeit – hinter sich aus.
Ich nehme den Fuß vom Pedal. Der Motor schweigt, erneut siegt die Stille im Raum. Ich schaue auf die Uhr. Nachmittag.
Der Raum hilft mir, meine Gedanken zu sortieren. Weiße Wand, dunkles Parkett, ein breites Sofa, ein hölzerner Tisch, darauf die Nähmaschine, ein Stuhl und ein Bild an der Wand – nichts weiter füllt das Zimmer.
Oh doch! Ich habe das Regal vergessen. Ein Regal über eine ganze Wand, Fach an Fach, Schublade neben Schulblade – Berge von Stoffen, Accessoires. Ideen schaffen sich Platz in Mappen und Ordnern.
Die Stille tut mir gut. Ich lasse die Näharbeit liegen und erhebe mich, laufe in den Flur. Lang ist er, sicher vier bis fünf Meter. Genau habe ich es noch nicht gemessen. Ein Kalender hängt an der Wand. Einer mit Texten aus der Bibel, dem Alten Testament. Berührend gestaltet. Und heute nun dieser Text.
Das Lob der tüchtigen Hausfrau.
In mir brennt Wut wie Feuer.
Die Wut treibt mich in die Küche, ins Chaos.
Töpfe, Tassen, Besteck ... schmierig und schmutzig füllen sie die Spüle. Ich mag sie nicht, die Hausarbeit. Ich mag nicht immer tun, was ich tun soll ... ich sehne mich nach Zeit für mich. Ich rebelliere.
Aber da hängt das Bild. Ein Kind – mein Kind – malte es. Über brauner Erde eine gelbe Sonne, darunter Blumen und ein winkendes Strichmännchen. Ein Trost?
Ich lasse Wasser in die Spüle laufen, säubere knurrend die Teller, schrubbe Töpfe.
Nach einer Stunde ist alles in die Kästen geräumt, die Arbeitsflächen gesäubert, Müll sortiert und weggebracht.
Auf der Küchenbank prangt ein Kissen. Neu genäht. Aus vielerlei Blau. Und mit einer Stickerei – Lavendelblüten. Ich schaue und träume und rieche Blütenduft.
Nein. Nicht geträumt. Auf. Auf!
Ich gehe ins Bad. Hier liegen noch vom Mittag die hingeworfenen nassen Sachen der Kinder. Jetzt sind sie spielen – draußen im Schnee, in der Dämmerung. Sie werden kommen mit roten Wangen, mit kalten Händen, mit Hunger im Bauch. Und sie werden erzählen und Kakao trinken – und meine Küche wird leben.
Mein Herz wird warm.
Von dieser Wärme eingehüllt stopfe ich schnell die schmutzigen Sachen in die Waschmaschine, sortiere mehr dazu und stelle sie an. Ich schnuppere in die offene Waschmittelflasche. Hm ... herrlich! Auch hier ein Blütenrausch!
Ich greife noch zum Wischer und putze das Bad durch. Das ging schnell. Dazwischen kommt mir eine Idee ... Ich renne ins Nähzimmer. Schreibe sie auf. Ich freue mich, weil ich sie halten konnte und sie mir nicht entwischt ist. Ich werde viel Freude beim Umsetzen haben.
Nun öffne ich die Tür zum Kinderzimmer. Schuhe, Strumpfhosen, Pullis türmen sich. Saubere Wäsche räume ich ein. Schmutzige werfe ich in den Flur. Es ist nicht schwer, die Behälter im Badezimmer neu zu füllen. Ich habe die Betten noch nicht gemacht – nun tue ich es mit den Gedanken an die Kinder. Ich sortiere das Durcheinander auf ihren Schreibtischen – zaghaft. Alles hat seine Berechtigung, nichts werfe ich ungefragt weg. Da liegt ein rosa Buch. Mein Tagebuch steht oben drauf. Gedanken meines Kindes. Nein, ich erliege nicht der Versuchung ...
Ich gieße die Pflanzen, sauge noch durch und schon ist alles gut anzuschauen.
Das Wohnzimmer empfängt mich in seiner abgestaubten Schönheit. Ich knipse die kleine Stehlampe an. So dunkel ist es schon. Ein warmer Kreis gelben Lichtes breitet sich aus. Eine braune Ledercouch steht vor einer Wand, darüber ein Bild. In wohltuenden Farben. Bücherregale mit Wissen und Geschichten, Träume festgehalten auf Papier. Decken und Kissen in Sesseln, wollig und sahnefarben. Wie viele Abende, Stunden saß ich hier, allein, zu zweit, mit der Familie und mit Freunden – las, dachte, träumte.
Ich kann sie nicht zählen. Viele waren schön, andere traurig, manche machten Angst.
Da, auf dem Holztisch liegt ein Buch. Es trägt einen Schutzumschlag. Ich weiß, dass es die Bibel ist. Ein Buch, in das Gott seinen Plan schrieb. Seinen Plan mit den Menschen, damit ihr Leben gelingen kann.
Runde, glatte Steine liegen daneben. Mitbringsel. Einer ist wie ein Herz geformt. Er liegt dem Buch am nächsten. Ich lächle. Mein Herz ist mit dem Schreiber der Zeilen fest verankert. Wie oft hat er mir den Weg gewiesen.
Ein Lichtschein fällt vom Fenster herein, hakt sich am gläsernen Kerzenständer fest. Er zerbricht an den kugeligen Glasschnüren und verströmt bunte Farben. Der Lichtstrahl trifft mein Herz. In seinem Sterben schenkt er glänzende Schönheit.
In Gedanken sehe ich ein anderes Bild – Kreuzesbalken. Daran vollzog sich ein Sterben, das Leben schenkte.
Später öffne ich die Tür am Kaminofen und mache ein Feuer. Das Kiefernholz knistert und knackt und verströmt seinen unverwechselbaren Duft in den Raum.
Mein Mann wird sich freuen.
Mir kommt in den Sinn, dass ich noch nicht den Briefkasten unten im Haus geleert habe. Ich greife zum Schlüssel, schlüpfe in die Schuhe und laufe zum Kasten. Eine ganze Menge Inhalt fällt mir in die Hand.
In der Küche sortiere ich Werbeprospekte, amtliche und private Post. Heute ist der Haufen private Post ein bunter. Ich staune. Ich habe viele Bekannte durch eine Website im Internet kennengelernt. Es sind Frauen, die Jesus lieb haben. Es ist eine gute Gewohnheit geworden, mich mit diesen Frauen aus aller Welt auszutauschen. Und ganz oft bekomme ich Post von ihnen. So auch heute. Sie haben lustige Nicknamen, verzieren ihre Briefumschläge mit schönen Aufklebern und tiefsinnigen Worten. Oft sind besondere Karten mit schönen Sprüchen beigelegt. Manchmal fällt mir ein Teebeutel oder ein kleiner Schokoriegel aus dem Umschlag entgegen. Ein Gruß, der mein Herz froh schlagen lässt.
Ich setze mich an den Tisch und lese unter der Küchenlampe die an mich gerichteten Worte. Trost empfange ich. Gleichgesinntes. Mutmachendes.
Ich räume die Post beiseite.
Aus dem Kasten im Schrank hole ich die mit Sternen übersäte Leinendecke und lege sie auf den Tisch. Heute ist ein Sternentag, wird mir klar. Ich suche schönes Geschirr heraus und decke den Tisch.
Dann bereite ich einen Auflauf zu, putze einen Salat, rühre Dressing an.
Ich freue mich. Bald kommen die Kinder, kommt mein Mann.
Und ich darf es ihnen schön machen.
Als alles bereit ist für ihr Kommen, gehe ich hinaus in den dämmrigen Flur und weiter in mein Nähzimmer.
Mein Blick streifte den Spruch am Kalender. Ich freue mich. Vor meinen Augen sehe ich schemenhaft die Frau, die vor ihrem Zelt – an einem Feuer – hockt und Decken macht, wie es in den Zeilen des Textes in der Bibel beschrieben wird. Ich lerne viel von meinem Gott. Wie wohl fühle ich mich jetzt. Das Aufräumen hat nicht lange gedauert und im Grunde war es keine Mühe. Jeden Tag ein Stück. Dann wird ein Ganzes daraus.
Ich tilge die Wut aus meinem Gedächtnis.
Ich stehe vor dem Fenster.
So blau ist alles. Das Neblige hat sich davongeschlichen. Lichter flammen auf. Sacht beginnt es zu schneien. In mein Herz ist ein großes Geschenk gefallen.
Bibel – AT – Sprüche 31
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